Dafür ist kein Geld da!

von

Julia

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Es ist dieser Satz, den viele Frauen im Sport schon gehört haben: „Dafür ist kein Geld da.“ Kein Geld, um im professionellen Bereich vom Sport leben zu können, kein Geld, um als Damen-Team eine Liga aufzusteigen, oder noch frustrierender: kein Geld, um die Liga zu halten, weil das Geld für ein Herren-Team gebraucht wird, das viel weiter unten eine Liga aufsteigen soll. Kein Geld für Trainer:innen, Trainingsmaterial, Hallenzeiten … diese Liste ließe sich endlos weiterführen und wird bestätigt von Frauen aus verschiedenen Generationen und aus ganz unterschiedlichen Vereinen. Ihre Geschichten waren mit ein Grund, warum wir 2021 unseren eigenen Verein gegründet haben.

Warum wir mit Kindern über unsere Vereins-Finanzen reden

Für Mädchen im Sport gibt es einfach keine Ressourcen. Es wird oft als Tatsache hingestellt und stimmt doch nicht!

Am prominentesten zeigen das aktuell die Basketballerinnen der WNBA, die 2024 den Tarifvertrag mit der Liga gekündigt haben und komplett neu verhandeln.1, 2 Im Kern geht es darum, dass die WNBA in den letzten Jahren immer beliebter und finanzstärker geworden ist, die Sportlerinnen selbst aber gar nicht davon profitieren: Sie bekommen nur 9% des Liga-Gewinns, während die Männer in der NBA mit 50% beteiligt sind.3 Um das zu ändern, ist die Spielerinnen-Gewerkschaft in Verhandlungen eingestiegen: dabei geht es nicht nur um Geld, sondern auch um Kinderbetreuung (die übrigens in der NBA selbstverständlich ist, in der WNBA aber größtenteils fehlt) sowie u. a. verbesserte Trainings- und Reisebedingungen.

Zwei Vorstandsmitglieder von Artio zeigen anschaulich, wie die Einnahmen sich zusammen setzen: dafür ergänzt ein Kind einen Steckklotz auf einer Reihe von Steckklötzen.
Die Kinder bauen mit, um zu zeigen, wieviel Geld bei Artio im Jahr zusammenkommt.

Nur, wer sich auskennt, kann mitreden.

Ob im Verein oder in größeren Institutionen: Wo Geld reinkommt, ist natürlich auch Geld da. Wenn also jemand behauptet, dafür sei kein Geld da, liegt die Betonung selten auf ‚kein Geld‘, sondern meistens auf ‚dafür nicht‘. Dass wir selber so lange gebraucht haben, um das zu verstehen, veranlasst uns heute dazu, frühzeitig mit unseren Vereinskindern über unsere Finanzen zu reden.

Wenn Kinder (und Erwachsene) verstehen, wie Geldentscheidungen getroffen werden, können sie selbstbewusst hinterfragen, warum etwas so ist, wie es ist. Sie können lernen, sich für ihre Interessen einzusetzen und bestehende Strukturen zu ändern.

Woher kommt das Geld?

Um das abstrakte Thema Finanzen anschaulicher zu machen, haben wir unsere Einnahmen auf der letzten Mitgliederversammlung aus Steckklötzen zusammengesetzt. Die auf dem Tisch verteilten Klötze standen jeweils für 1.000 € und konnten von den Kindern zum jeweiligen Einnahme-Bereich zugeordnet werden.

Dabei wurde schnell klar, dass die größten Einnahmen, nämlich 69%, direkt von den Mitgliedern kommen. Weitere 21% unserer Einnahmen kommen aus Zuschüssen und Fördergeldern von Institutionen und Stiftungen, sowie 8% von Sponsor:innen.

Wohin fließt das Geld?

Noch viel anschaulicher wird es für die Kinder bei den Ausgaben, schließlich gibt es dazu meistens einen Gegenwert. So finden die Kinder im Raum die unterschiedlichsten Gegenstände, die die verschiedenen Bereiche demonstrieren. So lassen sich die Honorare von Trainer:innen und Schiedsrichter:innen (30%) relativ leicht mit deren Outfits darstellen. Die neuen Trikots stehen für Geräte und Vereinskleidung (25%), das Dach eines Spielhauses für Betriebskosten und Beiträge (14%), die z.B. an unsere Dach-Verbände gehen, und ein Schlüssel für die Mieten (13%), die wir zahlen.

Auf dem Versammlungstisch stehen eine Schüssel mit süßen Teilchen, die Zettel mit Tagesordnung und Ausmalbild, Stimmzettel, sowie Bauklötze und Schloss mit Schlüssel. Damit werden in der Mitgliederversammlung die Finanzen erklärt.
Auf dem Versammlungstisch ist alles angerichtet, damit die Kinder und Jugendlichen gut mitmachen können: Tagesordnung, Ausmalbild und Stimmzettel gehören genauso dazu wie das Material, um die Finanzen mit Bauklötzen, Schlüssel und Schloss, gut zu visualisieren. Die süßen Teilchen helfen derweil über den ersten Hunger hinweg.

Bewusste Geldentscheidungen

Jetzt ist es relativ einfach als Verein für Mädchen und Frauen das Geld genau für diese Zielgruppe auszugeben. Dass wir hier bei Artio keinen Mangel verwalten müssen, macht es umso leichter.

Für uns stehen dabei zwei Aspekte im Vordergrund:

  1. In unserer Satzung ist festgeschrieben, dass wir allen Mädchen und Frauen gleichermaßen die Teilhabe am Team-Sport bei uns ermöglichen wollen – das heißt vor allem unabhängig von ihrem ökonomischen Hintergrund.
    • Kinder mit NürnbergPass zahlen deshalb einen reduzierten Mitgliedsbeitrag. Auch Familien ohne diese amtliche Anerkennung können diese Möglichkeit einfordern: sie zahlen dann völlig unbürokratisch einen selbst-gewählten Mitgliedsbeitrag zwischen 5 und 15 Euro im Monat.
    • Auch für unsere Camps zahlen Kinder mit geringem Familieneinkommen nur 25% der Teilnahmegebühr.
    • Durch unsere Teilnahme am kommunalen Programm „Hinein in den Sportverein“ übernimmt die Stadt Nürnberg 75% von 100€ im Kalenderjahr für jedes Kind mit NürnbergPass. Den Rest zahlen wir. So können sich alle Kinder und Jugendlichen die passende Sportkleidung besorgen.
  2. Wir wollen Mädchen und Frauen in Führungspositionen bringen; das sind bei uns in erster Linie Trainer:innen, Schiedsrichter:innen und der Vorstand. In diesen Bereichen sind bei Artio alle ehrenamtlich tätig und erhalten somit keine tatsächliche Bezahlung.
    • Um die Leistung trotzdem anzuerkennen und auch hier Teilhabe für alle zu ermöglichen, zahlen wir eine Aufwandsentschädigung. Diese Pauschalen haben wir erst im Dezember erhöht, damit sie sich mehr an Zeitaufwand und Qualifikation orientieren.
    • Selbstverständlich bezahlen wir Aus- und Fortbildungskosten. Bildung zahlt sich immer aus!
    • Wo gewünscht und je jünger die Mädchen oder Frauen sind, desto enger begleiten wir sie mit internen Fortbildungen und eigenem Mentoring.
    • Als Verein übernehmen wir alle Materialkosten, die bei der Ausübung des Ehrenamts entstehen: Kühlis, Haargummis, Klebeband, egal, …. Sehr beliebt ist es, sich einmal die Saison eigenes Artio-Merch aussuchen zu dürfen.

So setzen wir unser Geld gut ein, um Teilhabe in allen Bereichen des Vereinslebens zu ermöglichen. Gleichzeitig unterstützen wir vor allem unsere Jugendlichen und jungen Erwachsenen Verantwortung zu übernehmen und in dieser Aufgabe gut zu wachsen.

Mit Geld Zukunft gestalten

Drei Mädchen halten Sachen hoch: das Shirt einer Schiedsrichterin, ein Coach-T-Shirt und 1 Zettel mit der Summe 13.060€ – damit visualisieren sie die Vereinsausgaben in diesem Bereich.

Bei unseren Mitgliederversammlungen lernen Kinder und Jugendliche oft zum ersten Mal, wie größere Geldsummen verwaltet werden, und erhalten ein grundlegendes Verständnis dafür, wie Finanzplanung funktioniert.

Im Verein erleben sie, dass Geld dazu genutzt werden kann, um Chancen zu schaffen und Ungleichheiten zu verringern. Sie lernen, dass Finanzen nicht nur eine abstrakte Zahl sind, sondern konkret genutzt werden können, um Möglichkeiten zu eröffnen.

Wie alle Ehrenamtlichen bekommen auch unsere Junior-Trainer:innen und -Schiedsrichter:innen eine Aufwandsentschädigung für ihre Arbeit. Damit vermitteln wir ihnen, dass Engagement wertgeschätzt wird und auch finanziell anerkannt sein kann.

Indem wir offen über Vereinsfinanzen sprechen, helfen wir unseren Kindern und Jugendlichen, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, wie sie selbst Einfluss nehmen können. Das Wissen um Finanzentscheidungen befähigt sie, sich aktiv einzubringen und Verantwortung zu übernehmen.

Und für uns selbst ist es einfach eine große Freude, mit unserem eigenen Vereinsbudget Mädchen- und Frauensport zu gestalten.

  1. WNBA players union demands new collective bargaining agreement, opting out of current deal, CNN Sports, 23.10.2024 ↩︎
  2. Basketballerinnen fordern nach Rekordsaison mehr Geld“, Spiegel Online, 22.10.2024 ↩︎
  3. Quelle: Aktuelles Sportstudio mit Leonie Fiebich und Nyara Sabally, ausgestrahlt am 10.11.2024 im ZDF, Verweis ab Min. 18:54 ↩︎