Von der Villa Kunterbunt in die echte Welt

von

Wollo

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Meiner Tochter Suki wollte ich schon von Beginn an viel Gutes mitgeben. Einer ihrer Vornamen ist Minza, nach Pippilotta Viktualia Rollgardina Pfefferminz Efraimstochter Langstrumpf. Wir haben immer versucht, dass sie sich als Kind sieht und nicht in Mädchen-Schubladen denkt. Autos, Lego, Puppen, Pferde? Geht alles. Ist ja für Kinder und sie ist ein Kind. Bei Artio hat sie ein Team gefunden und den Basketball lieben gelernt.

Mit sieben Jahren steht sie auf dem Feld, aber irgendwie ist der Wurm drin. In einem Moment sind sie und ihr Team komplett verwirrt, weil sich die ungewohnten Feldmarkierungen ihnen nicht erschließen. Dann greifen sie nicht richtig zu und überlassen strittige Bälle dem anderen Team. Nach einem gepfiffenen Foul gegen sie findet sie bis Spielende nicht mehr in die Defense. Und wie verhalten sich die Teams, gegen die sie spielt? 

Kennen die Markierungen auch nicht, aber rennen voller Selbstvertrauen los, manchmal raus, egal, weiter. Reißen mit ganzer Kraft die Bälle aus den Händen der anderen Kinder. Lassen sich nicht von geahndeten Fouls verunsichern. Aber warum? Ich habe zwei Vermutungen.

Geschlechterrollen, Selbstvertrauen, Leistungsdruck

Zum einen sind fast alle Kinder, gegen die meine Tochter spielt, Jungen. Und so sehr wir uns als Eltern auch bemühen, unseren Töchtern eine feministische Realität zu schaffen – die Welt da draußen denkt leider oft noch anders. Beim Bücherwichteln in der Schule gibt es rosa und blaue Lose, damit kein Kind ein Buch erhält, das nicht zu seinem Geschlecht passt. Danke für nichts. Und so sehr wir uns bemühen, dass sich unsere Tochter nicht fragt, was ein Mädchen darf oder nicht darf – es klappt nicht immer. Wir würden uns wünschen, dass unsere Töchter auch einfach machen, dass sie sich einfach so trauen, wie es für Jungs meistens ganz selbstverständlich ist. Das ist eine der traurigen Einsichten, die uns auch beim Basketball einholt.

Zum anderen ist da der Leistungsdruck. Die Kinder, gegen die meine Tochter spielt, stehen auf dem Platz, weil sie die meiste Chance auf Sieg mitbringen. Viele erleben bereits mit sieben Jahren Auswahl-Prozesse und Leistungsdruck. Bei manchen Teams darf manchmal ein Mädchen mitspielen. Bei vielen Teams aber kein einziges. Der Erfolg gibt vor, wer spielen darf, die U8 ist der erste Schritt in der Erwartung einer steilen Karriere.

Ideale, Werte, Artio

In diesem Moment hat eine unserer Spielerinnen einen Ellbogen abbekommen. Es tut offensichtlich ganz arg weh. Sie wird ausgewechselt, die zweite Trainerin nimmt sie liebevoll in den Arm. Im sechsten Achtel geht der erste Korb für Artio rein. Alle Eltern jubeln, die Bank springt auf, Rosa hat getroffen, juhu! In der U8 werden die Punkte nicht angezeigt. Keine Ahnung, wie hoch meine Tochter typischerweise verliert. 30:4? Vielleicht.

Das kann bisher alles traurig klingen. Ist es aber nicht. Ich empfinde die Arbeit von Artio als politisch. Als idealistisch. Tolle Werte, zwischenmenschliche Wärme. Das alles ist so viel größer als ein Punktestand. Alle Kinder bei Artio dürfen an den Spielen und Turnieren teilnehmen, alle kommen dran. Nicht aufgrund der aktuellen Form oder den Aussichten auf einen Sieg. Das Coaching ist in jedem Moment empowernd, mit ganz viel Herz. Ich bin fest davon überzeugt, dass all das der richtige Weg ist. Für die Kinder und die Erwachsenen, die ihren Kindern das ermöglichen können.

Wenn ich mit Suki nach einem Turnier spreche, dreht sich nichts um das Ergebnis. Sie ist stolz, Teil des Teams gewesen zu sein und liebt alles daran. Die Gesellschaft hat noch einen langen Weg vor sich, Artio ist schon einen Schritt weiter.